Sowohl als auch

Ich fühle mich mit einem Sowohl-als-auch wohler als mit einer sehr überzeugend vorgetragenen Meinung, die zur Tatsache erhoben wird. Ich mag es gerne differenziert und freundlich und weiche vor lauten Überzeugungen zurück, die wenig Raum für leise Zwischentöne lassen. Das trifft auf den direkten Austausch mit Freunden und Fremden genauso zu, wie auf mich als außenstehende Zuhörerin von Interviews und Talk-Shows. Ich werde skeptisch gegenüber Menschen, die auf alles eine Antwort haben und die Lösung für jedes Problem kennen.

Unsere Welt ist komplex und sie verändert sich schnell. Wir wissen noch so wenig von ihr und von uns. Und trotzdem sind wir umringt von scheinbar eindeutigem Wissen und stichhaltigen Fakten. In der Psychologie ist noch so vieles unentdeckt und gerade die Replikationskrise angesehener Studien zeigt, dass unser anerkanntes Wissen vielleicht doch nicht des Pudels Kern ist. Wonach sich also richten, wenn es um unsere Gesundheit geht? Die körperliche oder die mentale? Oder können wir bitte endlich unsere Gesundheit ganzheitlich betrachten?

Es verkauft sich natürlich besser, sich eindeutig zu positionieren und ja, ich weiß, dass ich meine Nische finden muss. Lieber spitz als breit in den Markt hinein. Marketing 101.

Klar. Macht ja Sinn. Aber gerade im Coaching und in der Therapie habe ich solch einen Unwillen gegen One-fits-all-Programme. In 6 Schritten zu einem erfüllten Leben. Der eine Weg, der jetzt wirklich für jeden funktioniert. So ein Quatsch.

Und ich möchte mich auch nicht nur auf ein Thema fokussieren. Denn bei Burn-out oder Beziehungsproblemen, Schlafstörungen oder emotionalem Essen handelt es sich um ganz individuelle Symptome oder Strategien, hinter denen eine ähnliche Ursache stecken kann.

Ich kann Wege anbieten, kann mein Wissen, Methoden und eine differenzierte Perspektive zur Verfügung stellen. Ich gebe mein Bestes, meine Erfahrung und Praxis für meine Klienten nutzbar zu machen, sodass sie ihrem Ziel näher kommen. Die Entscheidung zu Veränderungen liegt weiterhin beim Klienten.

Beim Verstehen und Anerkennen bin ich dabei. Ins Tun kommen muss jeder selbst.

Mein Sowohl-als-auch liegt in der mentalen Arbeit, bei der immer auch der Körper mitgedacht werden muss. Es geht einerseits darum, unsere Geschichte anzuerkennen, Selbstfürsorge zu lernen und wieder mit uns und anderen in Verbindung zu kommen. Und es geht eben auch darum, wieder in Bewegung zu kommen, seinen Körper wahrnehmen und spüren zu können. Es geht um gute Ernährung und guten Schlaf.

Natürlich ist es nachvollziehbar, dass wir einen klaren – und gerne auch leichten und schnellen – Weg zu unserem Ziel aufgezeigt und auf ihm begleitet werden möchten. Ich fände es großartig, wenn ich Dir diesen Weg zeigen könnte. Geld-zurück-Garantie bei fehlendem Erfolg nach 3 Sitzungen.

Wir sind es gewohnt, dass das nur Experten können, denn überall werden sie uns präsentiert. Jede Krise produziert ihre Experten. Ob Migration oder Terrorismus. Klimakrise oder Corona. Und jetzt eben auch Mental Health. Wer traut sich denn noch öffentlich zu sagen, dass er auf eine Frage keine Antwort weiß? Oder dass eine differenzierte Antwort eines Sowohl-als-auchs vielleicht gerade die bessere ist, als ein medienwirksames Statement.

Schade. So verweigern wir uns echten Gesprächen und provozieren ein schwarz-weißes Bild, das unserer Welt nicht entspricht. Lieber Recht haben als etwas nicht wissen. Angriff ist die beste Verteidigung. Und wenn ich so laut rede, dass der andere nicht zu Wort kommt, habe ich eben auch gewonnen? Aber Verletzlichkeit ist doch das, was echter Stärke bedarf. Ich suche mir Menschen, bei denen ich einfach sein darf.

Wer sind wir denn, wenn wir nicht mehr im Austausch mit anderen sind? Nicht mehr neugierig? Nicht mehr offen für Veränderung? Nicht mehr in Verbindung mit anderen?

Und leider hält uns diese Suche und vermeintliche Möglichkeit des Quick-Fix’ davon ab anzuerkennen, dass es dazugehört, dass es kompliziert ist, dass wir eben ganz vieles nicht wissen und niemals wissen werden. Und dass wir uns immer wieder anstrengen müssen.

So geht es uns allen. Und zusammen und selbstverantwortlich kriegen wir das hin.

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Ernährung #1.